Der Tod des Buches wurde schon oft postuliert, doch immer wieder zeigen
sich Todgesagte als überraschend lebendig und populär. Egal ob Film, Fernsehen, Comics
oder das Internet, das geschriebene Wort auch und besonders in der Buchform hat seinen
Platz in der sich stetig wandelnden Medienlandschaft behauptet. So ist es vonnöten, sich
mit der Qualität seines technischen Hauptbestandteils, der Schrift, einmal näher zu
beschäftigen. Natürlich ist es die Hauptaufgabe der Schrift, lesbar zu sein, und das ist
sie eigentlich immer. Aber es gibt auch hier Unterschiede, die einem vielleicht nicht
sofort ins Auge springen, aber dennoch existent und beachtenswert sind.
Dem Leser die Augen gegenüber den Eigenschaften der Schrift und deren
Verwendung zu öffnen ist das Anliegen dieses Buches. "Meisterbuch der Schrift"
klingt altmodisch und ist es auch. Bereits 1952 erblickte dieses Werk das Licht des
Buchmarktes. Seit damals ist viel geschehen, und der moderne Mensch geht oft nicht sorgsam
mit altem Wissen, auch wenn es sich um die Pfeiler seiner Kultur handelt, um. Besonders
das geschriebene Wort durchlebte eine rauhe Zeit. Moderne und unleserliche Schriften
machten das Lesen zur Kunst, heutzutage besonders bei manchem Film-Abspann (zum Beispiel
"Sieben" oder "Total Recall") oder bei trendigen Techno-Zeitschriften
zu bemerken. Doch auch die ehrwürdige Tageszeitung ist im Sumpf der Rechtschreibprogramme
in eine unsagbare Mittelmäßigkeit abgesunken und steuert wie ein Tiefsee-U-Boot neuen
Rekorden der typografischen Bodenlosigkeit entgegen.
Der 64-seitige Text-Teil erläutert in einleuchtenden Beispielen den
Unterschied zwischen guter und schlechter Schrift, sowohl was die Gestaltung der
Buchstaben, aber auch was die Gestaltung des Textes - also das Zusammenspiel der
Buchstaben - angeht. Eine gewisse Arroganz oder zumindest eine gehörige Abgehobenheit
zeichnet den Stil des Textes aus, aber wo Herr Tschichold Recht hat, hat er Recht und darf
das auch ruhig zelebrieren. Eignet man sich die Meinung des Autors an, wird man nicht
umhin können, selbst zum Kritiker schlechten Schrifttums zu werden, das einem auf Schritt
und Tritt begleitet. Erstaunlich ist die Tatsache, das solch ein alter Text auch heute
noch Bestand hat, aber schrieb nicht schon Kanzler Kohl vor sechszehn Jahren den Text für
die Kanzler-Rede von Schröder um die Probleme bei der Regierungsübernahme? Wahrheiten
sind halt zeitlos!
Wir im Internet publizierenden haben noch die Ausrede, daß die
Spezifikationen der HTML-Sprache uns Fesseln anlegen, die uns unsere Texte nicht besser
gestalten lassen, doch auch hier kann man gute von schlechter Gestaltung unterscheiden
(wir versuchen Besserung).
Ergänzt wird der Text von 176 ganzseitigen Schrifttafeln und
Schriftproben. "Meisterbuch der Schrift" sollte eine Pflichtlektüre der
Schaffenden rund um die Schrift sein.
Anmerkung der Rezensenten: Fast wäre bei der Definition der
heutigen Qualität der Tageszeitungen der Vergleich mit Schülerzeitungen erschienen, doch
sind leider manche Schülerzeitungen schon besser als die professionellen Vorbilder. Ein
Grund, die einen zu loben und weiter anzuspornen und die anderen auf ihre mindere
Qualität erneut hinzuweisen.
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