So beginnt Linde von Keyserlingk ihr Buch und diesem Grundsatz
folgen alle ihre Geschichten.
Eine Erkenntnis, die einleuchtet. Aber was tun, wenn die Angst
die zarte Kinderseele packt und fest im Griff hat?
Da nutzen die tröstenden Worte der Erwachsenen "Du brauchst keine Angst zu
haben!" oder "Das ist alles nicht so schlimm!"gar nichts - im Gegenteil, sie
vermitteln noch den Eindruck, man würde nicht ernst genommen, man könne seinen
eigenen Gefühlen nicht trauen.
Verständnis ist zunächst das wichtigste - und dann: ganz behutsam die Angst
bewältigen.
An Hand von Geschichten sehen, wie andere sich in ähnlichen
Situationen verhalten, wie sich plötzlich ungeahnte Auswege und Lösungsmöglichkeiten
ergeben. Darauf vertrauen, dass man seine Angst überwinden kann.
Da ist beispielsweise Mirko, der furchtbare Angst vorm Wasser
hat, weil seine Brüder der Meinung waren, schwimmen lerne man nur dadurch,
ins Wasser geworfen zu werden. Und der dann doch ins Wasser geht, weil seine
Freunde den ganzen Sommer am See verbringen. Der immer ein Bein auf dem Boden
behält und nur so tut, als schwimme er. Und ganz plötzlich, ohne es zu merken,
tatsächlich schwimmen gelernt hat.
Oder Ebba. Die kann keine Spinne angucken, ohne dass es sie ganz schrecklich
gruselt. Bis ihr Opa ihr die Geschichte von der Spinne Araneida erzählt, die
in Wirklichkeit eine verzauberte Weberin ist und so gerne den Spinnenprinzen
heiraten möchte. Und Ebba ihr hilft und dabei ganz vergisst, dass sie Spinnen
eigentlich nicht ausstehen kann.
Aber da gibt es ja noch viel heimtückischere Ängste als die
vor Spinnen oder vorm Schwimmen. Ängste, die das eigene Können in Frage stellen,
die einen glauben machen, man sei ein Versager. So lange bis man ganz klein
ist und sich gar nichts mehr traut. Dann freuen sich Quasselstrippe, Klatschbase
und Plappermaul. Die Drei hocken nämlich auf der Dachrinne und warten, bis
jemand vorbeiläuft, dem sie sich auf die Schulter setzen und ihre fiesen Sprüche
einflüstern können. "Ich bin nix, ich kann nix, ich werd nix!"
Aber zum Glück gibt es Menschen, die wissen, was man dagegen tun kann, wie
man sich durch Mutmachsprüche schützen kann: "Ich kann, was ich will!"
Der vierte Band der Reihe "Geschichten für die Kinderseele"
geht einfühlsam auf verschiedene Arten von Kinderängsten ein und bietet ganz
konkrete Lösungsmöglichkeiten.
Auch sprachlich orientiert sich die Autorin an den kleinen Zuhörern, sie überfordert
sie nicht durch komplizierte Worte oder Begriffe.
Die Geschichten orientieren sich an der Alltagswelt eines Kindes, vermitteln
das Gefühl: Das kenne ich doch! Die Welt, die sich vor den inneren Augen der
Zuhörer entfaltet, weist viele Parallelen auf zur eigenen, aber trotzdem kann
man das eigene Problem einmal von außen betrachten.
Die einzelnen Geschichten sind wohltuend kurz und bieten immer
ein befriedigendes und glaubwürdiges Ende. Sie bieten Möglichkeiten zum Weiterdenken
und Nachmachen, zum Sich-Erkennen und Sich-Abgrenzen.
Ein wunderbares Vorlesbuch, das Verständnis weckt für verzweifelte Kinderängste. Es verpackt originelle sowie altbekannte Lösungsansätze in tolle Geschichten, so dass es wirklich Spass macht, dieses Buch zu lesen. Man ahnt dahinter nicht das therapeutische Vorgehen sondern einen Menschen, der Lust am Erzählen hat und nebenbei das Selbstbewusstsein stärkt und Ängste überwindbar macht.
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